Steht außer Zweifel, dass einem schwer kranken Menschen mit medizinischen Maßnahmen nicht mehr geholfen werden kann, ist die Behandlung einzustellen. Für eine umfassende und sorgfältige Pflege bis zum Lebensende braucht es gut ausgebildete Pflegepersonen und funktionierende Kontrollen.
Der Fall. Frau Sch. ist 92 Jahre alt. Sie leidet an verschiedenen Krankheiten und wird über eine Magensonde ernährt. Sie wird zu Hause im Rahmen einer 24-Stunden-Pflege betreut. Immer wieder erkrankt sie an Lungenentzündungen, die durch Verschlucken beim Trinken entstehen, und wird ins Spital eingeliefert. Bei einer Aufnahme werden Geschwüre an Rücken und Gesäß festgestellt, die durchs Wundliegen entstanden sind. Diese werden fachgerecht versorgt und bei der Entlassung befindet sich die Patientin in einem guten Zustand. Wenige Tage später muss sie wegen einer neuerlichen Lungenentzündung wieder ins Spital. Ihr Gesamtzustand hat sich deutlich verschlechtert und die Geschwüre haben sich verschlimmert. Die Ärzte sind der Meinung, dass Frau Sch. nicht mehr geheilt werden kann, und ordnen den Abbruch aller medizinischen Behandlungen an. Auch die Antibiotika-Gabe gegen die Lungenentzündung wird abgesetzt.
Die Intervention. Die Angehörigen und die Sachwalterin sind entsetzt. Sie wehren sich beim Spital gegen die Einstellung der Therapien. Da ihre Einwände ungehört bleiben, wenden sie sich an die Patientenanwaltschaft Vorarlberg. Diese überprüft sowohl die Entscheidung der Spitalsärzte über den Therapieabbruch als auch die Qualität der pflegerischen Versorgung im Rahmen der 24-Stunden-Pflege.
Ergebnis. Bei der Prüfung wird festgestellt, dass dem Krankenhaus kein Vorwurf zu machen ist. Ärzte sind zur medizinischen Versorgung der Patienten verpflichtet und müssen alles tun, um deren Gesundheit wiederherzustellen. Kommt ein Arzt allerdings zu dem Schluss, dass eine weitere Behandlung nicht mehr vertretbar oder sinnvoll ist, so ist er verpflichtet, diese abzubrechen. Das trifft allerdings nicht auf pflegerische Maßnahmen sowie auf alle zur Linderung von Schmerzen und Leid notwendigen Maßnahmen zu. Kritisch beurteilt wird dagegen die pflegerische Versorgung durch die 24-Stunden-Pflege: Die in kurzen Abständen immer wieder aufgetretenen Lungenentzündungen könnten durch eine nicht korrekte Handhabung der Magensonde verursacht worden sein. Auch die mangelhafte Versorgung der Geschwüre sowie die unzureichende Hautpflege werden beanstandet.
Fazit. Auch wenn der Abbruch der Therapien medizinisch gerechtfertigt war, hätten nach Meinung der Patientenanwaltschaft Vorarlberg die Angehörigen bei der Entscheidung der Spitalsärzte besser eingebunden werden müssen. Das Spital bot aufgrund der beanstandeten Qualität der Pflege zu Hause den Pflegepersonen Schulungen an, außerdem wurde eine diplomierte Krankenschwester hinzugezogen. Der zuständigen Sachwalterin wurde empfohlen, die Versorgungsqualität zu überprüfen.
Beitrag der Patientenanwaltschaft Vorarlberg, erschienen im Konsument 6/2017.