Vor Operationen werden oft viele Untersuchungen gemacht. Auch wenn nicht alle wirklich unmittelbar für den Eingriff notwendig sind, müssen sie dennoch sorgfältig ausgewertet werden.
Der Fall. Im Jahr 2011 hat Frau M. eine Knieoperation. Im Spital wird routinemäßig ein Lungenröntgen zur OP-Freigabe gemacht, jedoch ohne schriftlichen Befund. Vier Jahre später erhält Frau M. die Diagnose Lungenkrebs. Die Erkrankung ist bereits so fortgeschritten, dass eine Operation nicht mehr möglich ist. Frau M. wird als unheilbar eingestuft. Bei der Suche nach Vorbefunden stoßen die behandelnden Ärzte auf die Röntgenbilder aus dem Jahr 2011. Auf ihnen war bereits zweifelsfrei ein „suspekter Rundherd“ im rechten Lungenlappen erkennbar.
Intervention. Frau M. wendet sich an die PatientInnen- und Pflegeombudsschaft des Landes Steiermark (PPO). Diese kommt zu dem Schluss, die Patientin hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit geheilt werden können, wenn die Erkrankung bereits 2011 in ihrem Anfangsstadium erkannt und behandelt worden wäre. Diese Einschätzung wird auch im nachfolgenden Gerichtsverfahren bestätigt. Der zuständige Krankenanstaltenträger lehnt jedoch jede Haftung ab und will daher auch die Schadenersatzansprüche der Patientin nicht anerkennen. Begründung: Das Lungenröntgen sei laut Leitlinien nicht notwendig gewesen und deshalb auch nicht ausgewertet worden. Auch wenn es einen Befund gegeben hätte, wäre der suspekte Rundherd mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht entdeckt worden.
Ergebnis. Da sich in der Zwischenzeit der Gesundheitszustand von Frau M. bereits sehr verschlechtert hat und sie die Entschädigungszahlungen dringend für Hilfen im Haushalt und Garten brauchen würde, schaltet die PPO einen Rechtsanwalt ein. Da der Rechtsträger der Krankenanstalt zu keiner außergerichtlichen Einigung bereit ist, wird Klage eingereicht. Das Gericht spricht Frau M. einen Schadenersatz in Höhe von 120.000 Euro und eine Feststellung für zukünftige Schäden zu. Der Krankenanstaltenträger spricht von einem „Justizirrtum“ und bringt Berufung gegen das Urteil ein. Zeitgleich mit dem Einbringen der Berufung wird der Patientin vom Krankenanstaltenträger noch ein Angebot in Höhe von 50.000 Euro gemacht, das sie jedoch ablehnt. Sie selbst weiß, dass sie keine lange Lebenserwartung mehr hat. Einem Vergleichsangebot, wenn auch nur zur Hälfte des ihr vom Gericht zugesprochenen Betrages, hätte sie zugestimmt, wenn es wesentlich früher gekommen wäre und ihr somit zumindest für einige Monate bessere Lebensbedingungen gebracht hätte. Das erstinstanzliche Urteil wird in 2. Instanz zugunsten der Patientin bestätigt. Sieben Monate später verstirbt Frau M.
Fazit. Die Gutachter stellen fest, dass sowohl aus Sicht des Qualitätsmanagements als auch unter ethischen Aspekten die Durchführung eines Lungenröntgens ohne nachfolgende Befundung als schwerer Mangel zu werten sei. Konkret heißt dasAuch nicht notwendige Untersuchungen müssen befundet werden, wenn sie durchgeführt wurden. In allen Spitälern sollten darüber hinaus klare Anweisungen aufliegen, welche Untersuchungen routinemäßig vor Operationen durchgeführt werden und welche den Patientinnen und Patienten erspart bleiben können.
Beitrag der Patientinnen- und Pflegeombudsschaft Steiermark, erschienen im Konsument 9/2018.