Die meisten Pflegeheime in Österreich haben keine Ärzte angestellt. Bewohner werden oft wegen Bagatellen ins Spital geschickt. Das kann für hochbetagte Menschen schlimme Folgen haben. Die Patientenanwälte fordern eine bessere medizinische Versorgung in Pflegeeinrichtungen.
Die Fälle. Herr C. ist 95 Jahre alt und lebt in einem Pflegeheim in der Steiermark. Wenn er zu wenig trinkt, trocknet sein Körper aus. Die Folgen sind Probleme mit dem Kreislauf, ihm
wird schwindlig und er ist verwirrt. Regelmäßig wird er dann mit der Rettung für ein
bis zwei Tage ins Spital gebracht, wo ihm eine Infusion angehängt wird. Auch zu Untersuchungen
beim Facharzt wird Herr C. mit der Rettung in die Spitalsambulanz gebracht. Dort muss er meistens stundenlang warten, bis er endlich an der Reihe ist. Nach jedem Krankenhausaufenthalt ist Herr C. sehr erschöpft und desorientiert. Er braucht sehr lange, bis er sich wieder in seiner gewohnten Umgebung zurechtfindet. Bei Frau M. funktioniert die Blase nicht mehr richtig. Sie ist inkontinent und hat einen Dauerkatheter, der alle vier Wochen gewechselt werden muss. Weil in ihrem Pflegeheim dafür kein Arzt Zeit hat, wird sie ins Spital gebracht. Frau M. fürchtet Krankenhäuser und hat Angst, dass sie sich einen Spitalskeim einfängt. Trotz intensiver Pflege wird das Druckgeschwür von Frau S. immer größer. Alle zwei bis drei Tage wird sie ins Krankenhaus gebracht, wo die Wunde verbunden wird. Für die ohnehin schon geschwächte Dame sind die ständigen Krankentransporte und Wartezeiten in der Ambulanz extrem beschwerlich.
Keine altersgerechte Versorgung. Die ärztliche Versorgung in den Pflegeeinrichtungen ist in Österreich sehr unterschiedlich geregelt. In der Steiermark erfolgt die Betreuung in der Regel durch niedergelassene Ärzte die, quasi als Hausbesuch, ein bis zwei Mal pro Woche nach den Bewohnern sehen und Medikamente verschreiben. Nach Ansicht der steirischen Patientenanwaltschaft reicht das bei Weitem nicht aus. Um die Bewohner altersgerecht und qualitätsvoll behandeln zu können, müssten Ärzte besondere Kenntnisse der Altersmedizin (Geriatrie) haben und auch in Akutfällen erreichbar sein. In manchen anderen Bundesländern haben die großen Pflegeeinrichtungen Ärzte angestellt. Das kostet Geld. Die steirische Patientenanwaltschaft verweist jedoch darauf, dass damit unnötige Krankenhausaufenthalte und Rettungstransporte eingespart werden könnten. Gleichzeitig würde die Qualität der Versorgung steigen und viel menschliches Leid vermieden werden. Die Patienten- und Pflegeanwältin der Steiermark appelliert an die Politiker in der Steiermark, die medizinische Versorgung in den Pflegeeinrichtungen so zu organisieren, dass sie den Bedürfnissen hochbetagter Menschen entspricht und ihre Betreuung sicherstellt.
Beitrag der Patientinnen- und Pflegeombudsschaft Steiermark, erschienen im Konsument 4/2017.