Der österreichische Patientenentschädigungsfonds ist europaweit einzigartig. Er bietet auch dann finanzielle Unterstützung, wenn Patienten bei einer Behandlung geschädigt werden, ohne dass ärztliches Verschulden nachgewiesen werden kann.
Der Fall. Frau K. arbeitet als Reinigungskraft in einem großen Unternehmen. Als sie unter einer Sehnenscheidenentzündung leidet, schreibt ihr Arzt sie krank und verordnet eine Ruhigstellung der Hand. Weil sich keine Besserung zeigt, wird ihr eine Operation (Spaltung des Strecksehnenfaches) empfohlen. Frau K. wird über die möglichen Folgen und Komplikationen des Eingriffs aufgeklärt. Nach der OP hat die 32-jährige Patientin starke Schmerzen und kann die Hand kaum bewegen. Trotz intensiver Schmerzbehandlung und Physiotherapie verschlechtert sich ihr Zustand weiter. Auch eine zweite Operation hilft nichts. Die Ärzte diagnostizieren eine Dauerschädigung aufgrund eines „komplexen regionalen Schmerzsyndroms“ (Complex regional pain syndrome, CRPS), auch „Morbus Sudeck“ genannt. Frau K. kann ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen und ist auch bei der Hausarbeit stark eingeschränkt.
Intervention. Der Fall wird an die Patientenanwaltschaft Vorarlberg herangetragen. Diese beauftragt einen unabhängiger Gutachter, um zu prüfen, inwieweit die Operation eine geeignete Behandlungsoption war oder ob man die Sehnenscheidenentzündung nicht nur mit Physiotherapie behandeln hätte müssen. Es soll auch geklärt werden, ob die Sudeck-Erkrankung zeitgerecht erkannt und fachgerecht behandelt wurde – insbesondere, weil die Physiotherapie erst mit zeitlicher Verzögerung verordnet worden war.
Ergebnis. Der Gutachter„lege art erfolge, also dem Stand der Wissenschaft entsprach. Die dramatischen Folgen seien durch den Morbus Sudeck ausgelöst worden, welcher fachgerecht und ohne zeitliche Verzögerung behandelt wurde. Das Schmerzsyndrom sei demnach als „schicksalhaft“ anzusehen und nicht zu verhindern gewesen. Zudem sei die Patientin im Rahmen der Aufklärung über das Risiko einer Sudeckschen Erkrankung informiert worden.
Fazit. Die Patientin ist durch die Entwicklung des Schmerzsyndroms massiv gehandicapt, hat ihre Arbeitsstelle verloren und kann den Haushalt nur mehr teilweise bewältigen. Ein Verschulden des Krankenhauses wurde ausgeschlossen und damit verbunden auch eine mögliche Haftung. Der Patientin wird jedoch Geld aus dem Patientenentschädigungsfonds zugesprochen. Es handelt sich dabei um eine in Europa einzigartige Einrichtung. Sie hilft Patienten, die im Rahmen einer Behandlung geschädigt wurden, wenn eine Haftung des Behandlers nicht gegeben ist. Die Entschädigung kann zwar nicht den gesamten Schaden – insbesondere mögliche Spätfolgen – abdecken, dient aber dazu, das persönliche Leid etwas zu mildern.
Beitrag der Patientenanwaltschaft Vorarlberg, erschienen im Konsument 4/2018.