Haftung trotz Aufklärung

Erfolgt eine Behandlung nicht nach dem letzten Stand der Wissenschaft, haftet der Arzt auch dann, wenn er vor einem Eingriff korrekt über mögliche Komplikationen aufgeklärt hat.

Die Fälle. Frau A. erleidet bei einer Operation der Nebenschilddrüse eine Verletzung des Stimmbandnervs. Bei Herrn B. wird bei einer Operation des Oberarms der Speichennerv (Nervus radialis) verletzt. Die Folge ist eine sogenannte „Fallhand“.  

Intervention. Frau A. hatte vor dem Eingriff einen Aufklärungsbogen unterschrieben, in dem auf das Risiko einer Verletzung des Stimmbandnervs hingewiesen wurde. Herr B. wurde vom Primararzt darüber informiert, dass es sich bei der Verletzung des Nervus radialis um eine bei diesem Eingriff bedauerliche, aber typische Komplikation handelt. Obwohl beide Patienten keine große Hoffnung auf Entschädigungsleistungen hegen, wenden sie sich an die Patientenanwaltschaft Vorarlberg. Diese holt zur Klärung fachärztliche Gutachten ein. Dabei wird nicht nur überprüft, ob die behandelnden Ärzte vor dem Eingriff wie vorgeschrieben über mögliche Komplikationen aufgeklärt haben, sondern auch, ob die Behandlung nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft erfolgte.  

Ergebnis. In Fall von Frau A. hält der Gutachter fest, dass es oberstes Gebot jedes Chirurgen sei, die Lage der Nerven festzustellen, bevor er die ersten Schnitte an der Nebenschilddrüse setzt. Die Kontrolle muss während der Operation erfolgen, was hier nicht der Fall war. Aus diesem Grund erkennt der Gutachter auf eine Haftung des Arztes und entscheidet zugunsten der Patientin, hier ist . Auch im Fall von Herrn B. erkennt der medizinische Gutachter auf ein Versäumnis des Arztes, da die Lage des Speichennervs nicht genau lokalisiert wurde. Dem Operateur hätte bewusst sein müssen, dass es beim Einschieben der Platte zum Einklemmen von Nerven kommen kann. In diesem Fall ist das Verfahren noch anhängig.

Fazit. Mit der Unterschrift des Patienten auf dem Aufklärungsbogen ist der Arzt nicht von der Haftung entbunden. Das ist nur dann der Fall, wenn es zu einer unvermeidbaren Komplikation kommt. Durch die Einwilligung in eine Operation, auch bei durch Unterschrift nachgewiesener Aufklärung, wird nur eine Behandlung gemäß dem letzten Stand der Wissenschaft (lege artis) legitimiert. Somit muss man bei jeder Schädigung genau prüfen, ob es sich um eine Komplikation handelt, für die Krankenanstalt bzw. Arzt nicht haftbar gemacht werden können, oder ob ein Behandlungsfehler vorliegt, der schadenersatzrechtliche Konsequenzen haben kann.

Beitrag der Patientenanwaltschaft Vorarlberg, erschienen im Konsument 10/2018


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